© VG Bild-Kunst, Bonn 2025
Roméo Mivekannin, La scène du régime nazi: Hitler en visite à la Maison de l’art allemand, temple de l’art officiel nazi à Munich (Szene aus der Zeit des NS-Regimes: Hitler bei einem Besuch des Hauses der Deutschen Kunst, dem Zentrum der offiziellen NS-Kunst in München), 1942, 2025 ©

Gewendet

Ist das Personenbild auf die Person im Bild begrenzt? In der Kunst und Geschichte durchaus nicht. Es ist Objekt von symbolischer Handlung und Verhandlung. Eine Person „im Bildnis“ präsent werden zu lassen, weil sie es physisch nicht ist, reicht als ritueller oder politischer Akt weit zurück. „In effigie“ ist der lateinische Ausdruck dafür und vor allem an Gewalthandlungen geknüpft, welche am Stellvertreter des realen Körpers, dem Porträt etwa, symbolisch vollzogen wurden: Bestrafung oder Hinrichtung in effigie durch Beschädigung oder Zerstörung der bildlichen Präsenz; oder Huldigung vor dem Herrscher im Bildnis, meist einer weißen Autorität – Ausdruck kolonialer Gewalt. Bei dem französisch-beninischen Künstler Roméo Mivekannin wird in effigie zu einem subversiven künstlerischen Akt. Im Bild macht er sich, als Schwarze Person, präsent – als den Stellvertreter für die in westlichen Bildtraditionen Nichtsichtbaren sowie für das Nichterzählte der Kolonialgeschichte. Dazu eignet sich der Künstler ikonische Motive der europäischen Kunstgeschichte an und schreibt diesen sein Konterfei ein. Er ersetzt das „dominante Weiß“ der Körper und Erzählmuster durch seine Identität und wendet so die koloniale Vergangenheit in die kritische Perspektive der postkolonialen Gegenwart. Die Physis des Artefakts, die Leinwand, erfährt das Gegenteil von Gewalt, nämlich Heilung durch Voodoo-Praktiken. Mivekannins Konterfei mit fixierendem Blick gibt auch jenen in der Kolonialfotografie als dominiert Dargestellten Handlungsmacht zurück. Den kolonialen Blick auf sie wendet er um. Zu Stellvertretern ausgebeuteter kolonisierter Identität werden in seinem Werk zudem Architekturen: Käfigartige Miniaturen von ethnografischen Museen, die an Ketten hängen, symbolisieren die ihrer Kunst Beraubten wie zur Schau Gestellten. Mit der begehbaren Käfiginstallation „Führermuseum“ zieht Mivekannin eine Parallele zu Künstler:innen im und unter dem NS-Regime. Und nicht zuletzt: Was löst die Blickhandlung des Künstlers im Bildnis bei uns aus oder der Eintritt in ein Gewaltsymbol?

  • Roméo Mivekannin.
  • Les gens ne disent presque rien
  • Kunsthalle Giessen
  • ab 19. Dezember 2025
  • Berliner Platz 1, Gießen
  • Telefon +49 641 3061041
  • kunsthalle-giessen.de
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