Bücherlicht
Im Frankfurter Stadtgebiet legt das mit Malereien zum Leuchten gebrachte Buch Spuren, mal weithin sichtbar wie zurzeit mit einer Außenwerbung, mal im Verborgenen wie in Liebfrauen: In der Kirche nahe der Zeil blättert die heilige Anna mit einer Hand durch reich ausgeschmückte Buchseiten, während sie mit der anderen ihrem Enkel, dem Jesuskind, das im Schoß seiner Mutter Maria steht, einen Apfel übergibt. Das spätgotische Tafelbild der heiligen Anna Selbdritt dokumentiert die Bedeutung, die der Besitz von illuminierten Büchern, insbesondere von „Stundenbüchern“, in gehobenen Kreisen der Städte für die persönliche Frömmigkeitsausübung und die Selbstdarstellung um 1500 erreicht hat. Von Liebfrauen einen Apfelbutzenwurf über den Main entfernt, macht aktuell ein City-Light-Plakat vor dem MAK auf dessen Ausstellung aufmerksam. Hier übertreten wir ein weiteres Mal die Schwelle zwischen der Stadt und einem Ort zur Betrachtung des Buchs als eines urbanen Phänomens, das zur Prestigedemonstration diente, aber auch als emotionalisierendes Hilfsmittel für die innere Aufwärtsbewegung im Stundengebet. Vom hohen monetären Einsatz für die Gestaltung des göttlichen Worts und damit für die eigene Frömmigkeit versprach man sich, dass er sich doppelt auszahlt: mit kostbarstem Exklusivgut an der Spitze der Gesellschaft gesehen zu werden und mit leichter Seele ins Himmelreich einzutreten.
Die Ausstellung eröffnet das Thema von der Gegenwart her: Auf die teuersten Gegenstände unserer Zeit werden wir aufmerksam gemacht, auch auf uns teuer gewordene Lebensbegleiter mit ihrer erlebnisverstärkenden Wirkung visueller und sozialer Art wie das Smartphone. Wir treten in die nachtblaue, kontemplative Atmosphäre der Präsentation ein, in der Erleuchtungsgrafik im wahrsten Sinne erfahrbar wird. Stufen führen aus dem Dunkel hinauf ans Licht der vertiefenden Information und Kommunikation über das Thema. Erkenntnis über die materiellen wie geistigen Phänomene von Text & Spirit haben wir am Ende dieses Wegs.
- Text & Spirit
- Erleuchtungsgrafik. Mittelalterliche Handschriften zwischen Alltagspraxis, Luxus und Glaube
- Museum Angewandte Kunst
- bis 22. Juni 2025
- Schaumainkai 17, Frankfurt am Main
- Telefon +49 69 21234037
- museumangewandtekunst.de