Elfenbein

1966 kommt die einst an Europas Fürstenhöfen gepflegte Mode des Elfenbeindrehens in Gestalt von cremeweißen Kleinoden und Kuriositäten zur musealen Beheimatung in das Bürgerhaus von Erbach im Odenwald – dies ist nicht das Präludium zu einer Entzauberungserzählung zwischen höfischer Glorie und dem Glanzverlust einer in gepflegter Einöde aussterbenden Kunst, im Gegenteil. Auf der Spur der wirtschaftlichen Fortschrittsinitiative für die Region durch Graf Franz I. zu Erbach-Erbach (1754–1823), Begründer und Meister der Dreherzunft (1783), hat fortwährendes institutionelles Engagement für dieses Kunsthandwerk den linearen Aufstieg zu etwas Einzigartigem in Europa erzeugt – das sich heute mit dem Zentrum der Elfenbeinschnitzerei in Deutschland und dem Elfenbeinmuseum bietet. 2016 haben die kunsthandwerklichen Schöpfungen gräfliches Logement im früheren Haus Franz’ I. bezogen. Wer sie im Museumsschloss in historischer Kulisse unter Kronleuchtern erwartet, irrt. Im Licht einer unkonventionellen, preisgekrönten Präsentation erstrahlt der Schaubestand des Elfenbeinmuseums: Illuminationskunst setzt Schnitzkunst in Szene, lässt den Raum in tiefes Dunkel zurücktreten, das „weiße Gold“ leuchten. Der konzentrierten Betrachtung werden die Werke im Wandel der Zeit- und Individualstile regional wie international namhafter Künstler:innen überlassen. Überlassen haben in der Vergangenheit noble Sammler dem Museum manche Glanzstücke. Zuletzt konnten 25 Dauerleihgaben aus privater Hand mit dem Schwerpunkt Biedermeier bis Art déco für das Museum gesichert werden, wo sie nun einen festen Platz am Zeitstrahl von rund 200 Jahren Schnitzkunstgeschichte haben. Dieser Ort mit allen seinen Schöpfungen regt zum Staunen wie zum Nachdenken über den Werkstoff Elfenbein an.

Es ist übrigens keine Frage des Glaubens: Jeder kann im Odenwald Elfen sehen, über den Nebelbänken am rot illuminierten Steg, unweit der „Erbacher Rosen“, bei den Hüllenlosen. Überzeugen Sie sich bei einem Rundgang durch die Räume!