Buch: © PRÄPOSITION / Daniel Zenker
Neue Erschöpfungsgeschichten, 2024 · Ruth Roxane Eckrich: Die Entstaltung, 2024 ©

Textscherben

Romantisches umgibt das Buch der Literaturinitiative PRÄPOSITION. Nichts, was sentimental wäre oder einen kitschigen Anachronismus kreieren würde. Was an das Buch heranweht, sind Fragen, die die Frühromantiker mit dem Projekt der Universalpoesie aufgeworfen haben. PRÄPOSITION wiederholt deren Fragen so wenig, wie das Orange des Covers das Blau der Romantik zitiert. Die Fragen nach einem zeitgemäßen Erzählen sind gegenwärtig, und sie richten sich mit PRÄPOSITION auf die Welt von heute. Romantisch ist, ob blau oder orange, die ästhetische Handlung im Umgang mit der krisenhaften Wirklichkeit sowie mit der Literatur, die auf diese Realität reagiert. Wenn der Disparatheit der Welt, aber auch deren Vielförmigkeit und Vielfalt durch eine geschlossene Erzählung nicht mehr gerecht zu werden sei, welche Form solle die Literatur, das Buch, der Text dann haben? Wie die Frage ist die Antwort romantisch getönt: eine offene Form, die mehrstimmig und vielsprachig sei wie das Gespräch, widersprechend wie die Kritik – eine unabgeschlossene, die die Äußerungen unterschiedlichster Lebensrealitäten zusammenführe, fortlaufend. In den Reflexionen des Buchs scheint die blaue Poesiegestalt auf, die nicht als ein geschlossenes Textsystem, sondern fragmentarisch und komplex verfasst ist wie die Welt. Sie offenbart ihre utopische Seite: Dieser Welt nähert die Gestalt sich fortwährend an, treibt dabei in ihre „Entstaltung“ – eine konstruktive Bewegung, aus der Neues entsteht. Neue Erschöpfungsgeschichten „handeln davon, was es braucht, um zu erzählen von dieser Welt, die nicht mehr ist, was sie nie war – und niemals sein wird“, sprich ein vollendetes Ganzes. Für die abwesende Vollkommenheit findet PRÄPOSITION das Vorstellungsbild der gläsernen Vase, die im Licht den Regenbogen erzeugt. Greifbar seien die Scherben, das Material zum literarischen Handeln derer, die erzählen, wie derer, die lesen von der Welt. Eine uneindeutige, lückenhafte Art von Welterzählung, von Buch trägt sich weiter, kein linear lesbares Ganzes. Wie man Scherben halten könne, fragt dieses Buch in Orange zurück.

  • Neue Erschöpfungsgeschichten
  • Publikation von PRÄPOSITION, eine Kooperation mit dem Klingspor Museum, Offenbach am Main
  • Holm-Uwe Burgemann (Hrsg.)
  • ISBN 978-3-00-080088-7
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