Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Vermenschlichung des Tiers treibt sonderbare Blüten: Hund und Mensch im Partnerlook vom Scheitel bis zur angemalten Kralle, Designermäntel für felllose Katzen und dergleichen mehr. Im Gegenzug ist der Mensch in die tierliche Haut geschlüpft, um sich seiner instinkthaften, auch ethischen Verbundenheit mit der Welt etwa als Otter, Fuchs oder im Ziegenfell unter Ziegen zu vergewissern. Das eine wirkt so exzentrisch wie das andere. Altvertraut und immer wieder neu erscheint das vermenschlichte Tier in den Interspezies-Gesellschaften der Märchen und Comics. In welchen erschaffenen Gestalten Ich, das Tier uralte Erzählwelten und die nachgezeichnete menschliche Welt mit Handlung füllt, zeigt eine Sonderausstellung in der GRIMMWELT Kassel. 

Jene Obsession mit dem Tier ist so typisch Mensch wie die, die Kunst zu deuten – sie durch übermäßiges Interpretieren zurechtzumodeln, zu entstellen, statt sie in ihrer je eigenen Art wirken zu lassen. Artgerecht sozusagen sollte der Umgang mit der Kunst nach der Kritikerin Susan Sontag sein, die Katzen ebenso wenig mochte wie lackierte Nägel, dafür große langhaarige Hunde und lässige Designermäntel. Angelehnt an ihr Plädoyer Gegen Interpretation stellt der Portikus Frankfurt Gegenwartskunst aus, die denen entgegenwirkt, die sich ihr über das ausdeutende Denken annähern. Es wäre im Sinne der Kunst, das für unsere Art Spezifische, den übergriffigen Intellekt, an die Leine zu nehmen.

Poupette und Castor entstammen weder dem Comic noch dem Haustierzoo der Promiwelt. Erstere, eigentlich Hélène, war die kleine Schwester von Castor, zu Deutsch dem Biber, bekannt als die Schriftstellerin Simone de Beauvoir. Ihr hatte die lautmalerische Namensumdeutung in Beaver wegen ihrer unermüdlich produktiven Art den Spitznamen eingetragen. Als Malerin hatte Hélène de Beauvoir nicht weniger von der „biberischen“ Schaffenskraft als ihre gefeierte Schwester. Eine Werkschau in den Opelvillen Rüsselsheim vermittelt davon einen umfassenden Eindruck – ebenso von der besonderen Rolle der Tiere, die in fantastisch geschilderten Welten zum Teil surrealistisch verbrämt oder auch als Partner des Menschen präsent sind. Schwarze Panther, Tiger und andere Tiere verbinden sich im Spätwerk mit weiblichen Akten und Kristallstrukturen zu Bildräumen zwischen Realität und Traum. 

„Den schwarzen Panther lassen Skrupel kalt / Piranhas zweifeln nicht am Sinn ihrer Taten / Die Klapperschlange akzeptiert sich ohne Vorbehalt. // Einen selbstkritischen Schakal gibt es nicht“, heißt es im Lob der schlechten Selbsteinschätzung, das in die Erkenntnis der Unschuld mündet: „Es gibt hinieden / auf dem dritten Sonnenplaneten / nichts was tierischer wäre als das reine Gewissen.“ Ein Tier anderer Art, der Mensch, lässt zwischen den Zeilen grüßen: Ohne Skrupel, Schuldgefühl und Selbstkritik ist dieser tierisch wie jene, er kann aber immer auch anders, weil er dazu die Möglichkeit hat, geben die Verse aus dem Gedicht von Wisława Szymborska zu denken.

Anregende Lektüre und einen goldenen Herbst 
wünscht Ihnen

Eva Claudia Scholtz
Geschäftsführerin der 
Hessischen Kulturstiftung

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