Otto Ubbelohde: Wintermorgen, um 1902/1903; © Otto-Ubbelohde-Stiftung, OUS, Inv.-Nr. G244; Foto: Horst Fenchel, Thomas Scheidt, Christian Stein 2017

wo natur ist

Wo ist für Sie Kindheit, Herr Ubbelohde? Pardon, die Antwort bleibt aus! Doch fraglos hat der Maler und Grafiker Otto Ubbelohde (1867–1922) den ideellen Anschluss an die Kindheit gesucht und auch gestaltet. Naturzustand – sprich Kindheit als das Andere der naturfernen Gegenwart – holt der in Marburg verwurzelte Künstler in sein Leben und Werk hinein. Der Lebensreformer zieht sich aufs Land zurück, in die Lahnauen bei Goßfelden, und praktiziert den unmittelbarsten Kontakt zur Natur. Zudem erinnert Ubbelohdes Naturempathie an Schillers Auffassung von „der Natur in […] Landschaften sowie der menschlichen Natur in Kindern, in den Sitten des Landvolkes und der Urwelt“, deren Anblick ein tiefes Gefühl der Achtung im Menschen evoziere, „wenn er im Freien wandelt, wenn er auf dem Land lebt oder sich bei den Denkmälern der alten Zeiten verweilt […]“. Eine „Art von Liebe“ zum Einfachen und Natürlichen, die als Triebkraft für seinen künstlerischen Zugang zur Natur und engagierten Landschafts- und Denkmalschutz anzunehmen ist.  Natur- oder Vergangenheitsnähe artikuliert sich neu in den lebensreformerischen Ideen um 1900, denen sich Ubbelohde verpflichtet fühlt. Für die natürlichen Prinzipien der Lebensreform wie auch für die ästhetische Bewahrung des Vergehenden nimmt er die Märchen und Landschaften als überzeitliche Folie, nicht aber als Projektionsfläche für eine kindlich-naive Gegenwelt. Er lässt Gegenwartsmomente und Erwachsenheit in diese Welt einziehen. Der Zeichner verschränkt die gestaltete Landschaft mit der Kindlichkeit der Naturpoesie, den Volksmärchen, von denen sich seine Illustrationen der grimmschen Märchen in Gestalt einer modernen ,Kunsterzählung‘ abheben. Der Maler indessen schützt die regionale Landschaft gleichsam bildhaft, indem er in der reduzierten Erzählung die Natur für sich selbst Einheit sein lässt. Die Ausstellungen in Marburg und Goßfelden, die sich dem Gesamtwerk widmen, nehmen die Aspekte der Naturnähe in den Fokus und befragen sie „hier und jetzt“ neu.

  • Die Landschaft Ubbelohdes – hier und jetzt
  • Kunstmuseum der Philipps-Universität Marburg  und andere Ausstellungsorte
  • bis 25. Februar 2024
  • Biegenstraße 11, 35032 Marburg
  • Telefon +49 (0) 6421 28-22355
  • Ausstellungen im Kooperationsprojekt: uni-marburg.de
  • Ubbelohde digital: otto-ubbelohde.de
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