Anderswo
Randgeschichten führen über die Grenzen unseres Verständnisses von Kerneuropa und den westlichen Zentren des globalen Raums hinaus – an die Peripherie, wie etwa die ehemals sowjetisch dominierten Regionen. Georgien in der Region Kaukasus ist Teil davon, zur Sowjetzeit vom westlichen Blick abgeschnitten und danach wenig beachtet. Am Südostrand Europas, „hinter“ dem Schwarzen Meer, bildet das Land an der historischen Seidenstraße den Übergang nach Asien. Für viele hierzulande steht es für Jahrzehnte des Konflikts durch Kriege und Wirtschaftskrisen, jüngst für eine autoritäre Isolationspolitik. Wenig präsent sind die Veränderungen Georgiens innerer Geografie seit dem Zerfall der Sowjetunion und infolge seiner geopolitischen Bedeutung als Energiekorridor für den Westen und Chinas Handelskorridor. Die Künstlerin Tekla Aslanishvili, in Georgien verwurzelt, erzählt in ihren Essayfilmen die aus hiesigem Blickwinkel nationale Randgeschichte als weitgreifende Verflechtungsgeschichte. Ihre Arbeiten zeigen, wie riesige Infrastrukturnetze, etwa Eisenbahnlinien oder Häfen, sich auf die transnationalen und die inneren, lokalen wie sozialen und nicht zuletzt machtpolitischen Dynamiken des Landes auswirken; sie zeigen periphere rohstoffgeprägte, „unsichtbare“ Orte oder an gigantesker Utopie gescheiterte. Durch die Kamera deckt die Filmemacherin neue Formen des Kolonialismus, der Umweltzerstörung, sozialer Ungleichheit auf, aber auch solche der Solidarität zwischen Menschen oder Einflusslinien von Regierungen über nationale Grenzen hinweg.
Das aus dem Rand in den Fokus des globalen Geschehens gerückte Anderswo präsentiert sich als multimediale Kooperation in den Räumen des Kunstvereins Wiesbaden: Sound-Design, installative Aufbauten, Fotografie verschmelzen mit Aslanishvilis filmischen Erzählungen, die Gegenwart und Geschichte mit Recherchen verbinden, zu einer poetischen
Gesamtgestalt mit der analytischen Tiefe kritischer Berichterstattung – sicherlich auch eine globalgeschichtliche Erweiterung unseres Blickwinkels.
- Tekla Aslanishvili – Der Plan und die Karte:
- Eine Filmchronik über den Auf- und Abbau von Infrastruktur
- Nassauischer Kunstverein Wiesbaden
- bis 11. Januar 2026
- Wilhelmstraße 15, Wiesbaden
- Telefon +49 611 301136
- kunstverein-wiesbaden.de





