© bei den Künstlern
Hendrik Zimmer und Martin Neumaier ©
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stipendiaten
hendrik zimmer
martin neumaier

Mit dem Bismarck-Archipel Komplex, so der Titel seiner Ausstellung 2010 in der Frankfurter Galerie Parisa Kind, beschäftigt sich Martin Neumaier (*1970) schon länger. Im Zentrum seiner Papierarbeiten, Skulpturen und Malerei steht die Auseinandersetzung mit der Kolonialgeschichte während des deutschen Kaiserreichs 1871 bis 1918, die Neumaier kritisch befragt: in der Verknüpfung ethnografischer Fragmente, etwa alter Buchseiten, Fotos und Zeichnungen, mit philosophischen Positionen der Aufklärung (Colonia­ Adorno, Kunstverein Heilbronn, 2010) und formalen Anklängen an die frühen Avantgarden. Martin Neumaier hat bei Hermann­ Nitsch an der Frankfurter Städelschule studiert, er erhielt u. a. 2008 den 1822-Kunstpreis.

Hendrik Zimmer (*1973), ebenfalls Städelabsolvent und Meisterschüler bei Tobias Rehberger, bezieht den Grundstoff, aus dem er seine meist großformatigen Collagen und Skulpturen entwickelt, von der Straße. Heruntergerissene Werbeplakate beispielsweise dienen als Ausgangsmaterial. Aufgezogen auf Holz, Leinwand und Blech, dort übermalt, geschichtet, collagiert, entstehen die Bilder in Ebenen. Für seine Skulpturen, wie die im vergangenen Jahr entstandene Badende oder The Arabian, untersucht Zimmer Bildträger und bildtragende Oberflächen auf ihre Eigenständigkeit. Hierbei verwendet er beklebte Aluminiumbleche, die verbeult und verdreht frei im Raum platziert werden. Zimmer setzt Bildrealitäten innerhalb und außerhalb des Kunstkontextes spielerisch-ironisch in Bezug; einige seiner neueren Arbeiten waren 2011 in der Soloschau I go the good road, you follow me bei der Kai Middendorf Galerie, Frankfurt am Main, zu sehen.

hks Nun ist dieser Tage mit der Feuilleton-Debatte um den neuen Roman von Christian Kracht über den Südseeaussteiger August Engelhardt (1875 – 1919) die deutsche Kolonialgeschichte wieder ins Gespräch gekommen – ein Thema, das Sie beide schon eine ganze Weile beschäftigt. Unabhängig voneinander hatten Sie sich für ein doch ziemlich außergewöhnliches Reiseziel, nämlich Papua-Neuguinea, beworben. Worum ging es Ihnen im Speziellen?

neumaier Im Speziellen ging es mir um neues Arbeitsmaterial, jedoch ohne genaue Vorstellung davon. Es hätten ein paar Muscheln, Pflanzen, vergilbtes Papier oder Fotos sein dürfen. In meiner Arbeit beschäftige ich mich seit einigen Jahren mit dem Thema des deutschen Kolonialismus und Imperialismus. Während das Bildmaterial, das ich für meine Collagen benutze, bisher in erster Linie aus Völkerkundebüchern besteht, die im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Deutschland verlegt wurden und sich mit den Ländern Polynesiens beschäftigen, wollte ich nun in eben diesen Ländern nach neuem Arbeitsmaterial suchen.

Der von uns bereiste Bismarck-Archipel, schon wegen seines Namens, steht für mich exemplarisch für deutsche Kolonial­geschichte.

zimmer Ich hatte einen Namen für mein Schiff gesucht, und ein Freund stieß mich auf diese kuriose Geschichte. Letztes Jahr bezog ich das Atelierschiff der Stadt Frankfurt für einige Zeit. Ich nutzte es als Atelier und wollte dort auch Ausstellungen kuratieren und veranstalten. Also brauchte ich einen Namen, taufte das Boot August Engelhardt und pflanzte einen Dschungel an Deck.

Je mehr ich las über diesen Engelhardt, desto größer wurde mein Interesse an der Geschichte und der Wunsch, die kleine Insel Kabakon, die er einst besaß, zu bereisen und zu sehen, was übrig ist von seinem Kokovorismus und seiner Weltanschauung. Kurz nach unserer Rückkehr wurde das Buch von Kracht veröffentlicht. Eigenartige Überschneidung, er schreibt ja genau über diesen Engelhardt. Aber das Buch kann ich empfehlen, Kracht scheint auch dort gewesen zu sein.

hks Im vergangenen Oktober sind Sie dann losgefahren, zusammen. Wie wars, was haben Sie erlebt, erzählen Sie!

zimmer / neumaier Bei der Planung der Reise hatten wir die strengen Hinweise, unbedingt zusammen zu reisen, noch etwas belächelt. Clementine Deliss und Eva Raabe vom Weltkulturenmuseum hatten uns vor der Reise viele hilfreiche Informationen gegeben und fast darauf bestanden zu zweit zu reisen. Später wussten wir warum.

Wir waren die einzigen Weißen auf dem letzten Inlandsflug nach Rabaul und waren es auch bei unserer ersten Erkundung durch den Ort Kokopo. Auf den Märkten im Zentrum und im public-transport, den überfüllten VW-Bussen, wurden wir unverhohlen angestarrt. Die Menschen scheinen sich keineswegs einig, ob Fremde und besonders Weiße dort willkommen sind.

Beim Gang durch die kleine Stadt ließen sich die Halbstarken oft zu kleinen Drohgebärden hinreißen, die wir ignoriert, aber stark wahrgenommen haben. Die Männer lächeln kaum und erwidern keinen Gruß, dabei sehen sie mit ihren roten Zähnen vom Betelnuss-Kauen und den offenen Macheten äußerst furchteinflößend aus. Lernt man sich allerdings kennen, wird viel zusammen gelacht und die eigenen Zähne sind dann auch rot von der Betelnuss.

Man braucht schon gute Nerven insgesamt, und es ist wirklich nicht zu empfehlen alleine herumzureisen. Gleichzeitig ist es natürlich paradiesisch schön, mit Dschungel bis zum weißen Strand und türkisem Wasser um die kleinen Inseln. Die latente Gefahr lässt einen nie richtig in Ruhe, man ist permanent aufmerksam und gespannt. Natürlich ist das zum anderen Teil auch ein Zustand besonderer Intensität und Lebendigkeit. Man will ständig weg und gleich wieder hin.

hks Haben Sie einen kleinen Ausblick für uns, was Sie für Ihre künstlerische Arbeit von Ihrem offensichtlich abenteuerlichen Unternehmen mitgenommen haben? Gibt es schon Überlegungen zu neuen Projekten?

neumaier Während der ganzen Reise waren ein allgegenwärtiges Bild die mit blutroten Spuckflecken eingefärbten Straßen, Plätze und Hauswände. Eine solche Färbung des Speichels entsteht durch chemische Reaktionen der notwendigen Zutaten beim Betelnuss-Kauen (Betelnuss, Senfsamen, Kalk).

Das Kauen von Betelnüssen ist in ganz Papua-Neuguinea ein fester Bestandteil sowohl des alltäglichen Lebens als auch aller rituellen und spirituellen Traditionen. Ich habe mit unserem rot gefärbten Speichel verschiedene vergilbte Papiere gefärbt und auf alte Buchseiten gezeichnet. Diese Blätter werden mir in irgendeiner Form als Hintergrund für Collagen dienen.

zimmer Ich habe zwei Kokosnüsse, von August Engelhardts Plantage auf Kabakon, mitgebracht. Die musste ich über vier Grenzen schmuggeln. Sie sind wunderschön, noch in der großen Außenhülle, geerntet von einer Palme, die er höchstwahrscheinlich eigenhändig gepflanzt hat. Seit der Rückkehr arbeite ich an einer Serie neuer Bilder und Objekte, wenn die fertig ist, wird sich zeigen, was von der Reise zu sehen ist.

Die starken Farben der Südsee, Paradiesvögel, fiese Masken auf weiß bemalten Kriegern, Hitze, Angst und Armut können schon Material liefern. Vielleicht werden die Bilder aber auch absichtlich unberührt von all dem sein, schließlich interessiert mich an Engelhardts Geschichte eigentlich am meisten, wie vehement und unbedingt er bis zum Schluss Recht behalten wollte. Dann müsste ich ja meine Bilder von vor der Reise kopieren…

zimmer / neumaier Außerdem haben wir auf Karawara, eine der bewohnten Inseln der Duke of York Islands, einen einheimischen Künstler, Abraham, kennengelernt, dessen Porträt-Zeichnungen wir beide großartig fanden. Wir hatten uns mit ihm verabredet, um über eine mögliche Zusammenarbeit zu sprechen, zum Beispiel eine gemeinsame Ausstellung in Frankfurt. Leider ist Abraham nicht aufgetaucht.

Wir versuchen seitdem Kontakt zu ihm aufzunehmen, was uns bisher nicht gelungen ist. Auf Karawara gibt es weder Strom noch Internet und unter der einzigen Handynummer eines Inselbewohners, die wir herausfinden konnten, war nie jemand zu erreichen. Wir haben einen Brief an Abraham, the artist, Karawara geschrieben, wissen aber nicht, ob er je angekommen ist. Aber wir haben noch nicht aufgegeben.

Das Gespräch führte Karin Görner.

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