© Museum Angewandte Kunst, Foto: Franziska Krieck
Hubert Koch: Becher und Vase, Glas, vor der Lampe geblasen, montiert, farblos und grün irisiert, 1977–1978, Ankauf 1984, Kunsthandwerk ist Kaktus, Museum Angewandte Kunst ©



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Durch die Hand in den Verstand, so heißt es. Wie viel Wahrheit sich hinter dieser Floskel verbirgt, wird beim Blick in unsere Entwicklungsgeschichte deutlich. Paläoanthropologen haben in Zusammenarbeit mit Neurowissenschaftlern untersucht, wie sich die Herstellung eines altsteinzeitlichen Faustkeils auf die Entwicklung des Gehirns auswirkt. Sie beobachteten evolutionär bedeutende neuronale Vernetzungen in der unteren Stirnhirnwindung, die sich beim Erlernen und Verfeinern der Schlagtechnik entwickelt und Anteil an der Entwicklung unseres Sprachvermögens gehabt haben könnten.

Mit dem kenntnisreich geschlagenen Faustkeil tritt außerdem einer der ersten künstlich hergestellten Gegenstände in das Leben unserer Vorfahren. Werkzeug, Kleidung, Schmuck begleiten den Menschen seit der Altsteinzeit, sind Gegenstand von Innovation, Gestaltung und Transformation. Eine Tradition, die das Kunsthandwerk lebendig hält. Heute begegnen Kunsthandwerker im produktiven Verhältnis von Hand und Kopf, Fingerfertigkeit und Theorie der bildenden Kunst und dem Design. Individuell hergestellte, nicht selten einzigartige Objekte bewegen sich zwischen Gebrauchsgegenstand, Kunst, Dekoration und industriell gefertigter Ware.

Im Museum Angewandte Kunst in Frankfurt befragt die Ausstellung Kunsthandwerk ist Kaktus den Museumsbestand nach 1945 bis heute anhand von 1500 Objekten aus Glas, Holz, Metall, Kunststoff und Textil nach genau diesem Spannungsfeld. Angesichts der veränderten Wahrnehmung unserer Welt durch den universellen Computerbildschirm und seiner bislang eindimensionalen Haptik drängt sich die Frage nach der Realität der Objekte, dem Material und seiner Verarbeitung geradezu auf.

Von der Hand in den Verstand: Das Wesen eines Kaktus entdeckt man nicht zuletzt mit den Fingern. Ebenso betonen kunsthandwerkliche Objekte oft ihre physisch erfahrbare Präsenz. In mehreren Abschnitten zeigt die Ausstellung die Evolution von Formen und Materialien, um dann ihren Anwendungsgebieten nachzuspüren oder den lebensweltlichen Kontext von essen, wohnen, schmücken zu verdeutlichen. Zuletzt wird das künstlerische Potenzial der Objekte ausgelotet.

Begleitet wird die Ausstellung von einem Katalog mit Texten von Dr. Sabine Runde. Kunsthandwerk ist Kaktus ist nicht nur eine Bestandsaufnahme der kunsthandwerklichen Objekte der Sammlung seit 1945, sondern auch die Abschiedsausstellung der langjährigen Oberkustodin und Kuratorin.

  • Museum Angewandte Kunst
  • Kunsthandwerk ist Kaktus: Eine Ausstellung zum
  • Museumsbestand nach 1945 bis heute
  • November 2021 bis 20. Februar 2022
  • Schaumainkai 17, 60594 Frankfurt am Main
  • Telefon +49 69 21231286
  • Di 12 – 18, Mi 12 – 20, Do – So 10 – 18 Uhr
  • museumangewandtekunst.de