Gesamtlänge 18,2 cm, (ursprünglich 27cm) © Jürgen Krause
Jürgen Krause: Stechbeitel, 2008–2010 ©
Gesamtlänge 15,2 cm (ursprünglich 19,5 cm), Sammlung Mondstudio © Jürgen Krause
Jürgen Krause: Schnitzmesser (Form 12), 2005 – 06 ©
Kalksandstein, 15x4,4x0,3 cm (ursprünglich 15 x 4,4 x 3 cm) © Jürgen Krause
Jürgen Krause: Schärfstein Amakusa, ca. 2006–08 ©
Kalksandstein, 16 x 7 x 0,4 cm (ursprünglich 16 x 7x 4,5 cm) © Jürgen Krause
Jürgen Krause: Schärfstein Ohmura, ca. 2004 – 06 ©



stipendiat
jürgen krause

Jürgen Krauses (*1971) Arbeit ist nicht am Produkt orientiert, sie spricht vom – nicht nur künstlerischen – Tun, über Zeit, Sinnhaftigkeit, Leere. In ritualisierten, mit dem eigenen Körper vollzogenen Wiederholungen beschäftigt sich der in Frankfurt lebende Künstler mit üblicherweise wenig beachteten Dimensionen innerhalb der Vorstellungen von persönlichem, technischem und gesellschaftlichem Fortschritt. Krauses Objekte waren unter anderem im Kunstverein Nürnberg, in der Kunsthalle Mainz und dem 1822-Forum in Frankfurt am Main zu sehen. Zu seinem Reisestipendium hat Karin Görner den Künstler befragt. 

hks Herr Krause, Ihre künstlerische Arbeit, das Schärfen von Klingen zum Beispiel oder das Schneiden von Löchern tun Sie täglich, seit Jahren. Sie besteht – in einem Versuch der Beschreibung – darin, die Bewusstseinslücken von Alltagserfahrung zu erleben und sie damit sichtbar zu machen. Nun hatten Sie sich für ein Reisestipendium beworben und auch eines bekommen. Was haben Sie damit angefangen?

krause Ich wollte die Technik des Schärfens von Grund auf lernen und nehme deshalb Unterricht bei Kinya Terada, einem japanischen Messerschärfmeister in Frankfurt. Vor einigen Jahren habe ich begonnen, aus der freien Hand Löcher in Papiere zu schneiden, möglichst rund, mit einem gewöhnlichen Cuttermesser. Bald habe ich begriffen: Entscheidend ist die Schärfe der Klinge. Stumpfe oder abgebrochene Klingen ersetzte ich durch neue – ein hoher Materialaufwand! Also kaufte ich einen Schärfstein, einen Arkansasstein, und versuchte, die Klingen von Hand nachzuschärfen. Das ist eine Sache für sich und eine Beschäftigung, die mich gefordert hat.

So kam zum Schärfen für den Gebrauch (denn Löcher schneide ich weiterhin) jene andere Vorstellung des Schärfens für den „Nicht-Gebrauch“: Manche Klingen außerhalb des Schärfvorgangs nicht weiter zum Einsatz zu bringen und unablässig zu schärfen, von grob nach fein zur Politur und – wenn die Schärfe geprüft und dann aufgehoben wurde durch ein paar Züge über den gröbsten Stein – von vorn. Als Übung, bei der es immer wieder neu gilt, einen hohen Schärfegrad zu erreichen. Das Schärfen rückt dabei vom Rand der Aufmerksamkeit in die Mitte. Von einer vorbereitenden Handlung, bei der es leicht passieren kann, dass Handgriffe mechanisch ablaufen (weil die Gedanken schon einen Schritt weiter sind), zur Vorbereitung als eigenständiger Ausführung. Oder, wie Ludwig Hohl in seinen Notizen schreibt: „Die Vorbereitungen, die nötig sind für kommende Leistungen, sind selber schon Leistungen.“

Durch das Stipendium der Hessischen Kulturstiftung konnte ich im September und Oktober 2010 eine Reise nach Japan machen. In Sakai habe ich den Messerschmied Enami besucht, der erzählte, seine Lehrzeit habe zehn Jahre gedauert und er verfeinere seine Fertigkeiten jeden Tag. Das ist der japanische Weg zur Meisterschaft, sich einer Sache bedingungslos verschreiben und verstehen, dass trotz aller Anstrengung ein Rest bleibt, der sich nicht vollständig beherrschen lässt. Man bewahrt die Haltung des Anfängers.