Porzellan, Museumslandschaft Hessen Kassel Sammlung Angewandte Kunst, Inv.-Nr. OP 53
Schildkrötenreiter, Arita um 1664 ©



führungsstil

War er ein ausgemachter Duodezfürst, umgeben von windigen Beratern, die dem unerfahrenen jungen Grafen absurde Pläne zuflüsterten? Ein „König vom Schlaraffenland“, der sein kriegsgebeuteltes Land mit einer hochfliegenden Wirtschaftspolitik in den finanziellen Ruin trieb? Die Geschichte des Grafen Friedrich Casimir von Hanau-Lichtenberg (1623 – 1685) lässt sich so und auch so lesen: Der Regent beider Hanauer Territorien, seit 1641 zunächst unter Vormundschaft im Amt, trug eine prächtige Kunst- und Naturaliensammlung zusammen, begann mit der Einrichtung einer Wissenschaftsakademie für die Residenzstadt und träumte schließlich noch von einem großhanauischen Imperium in Übersee.

Diesen wenig bekannten Teil der politischen und kulturellen Geschichte Hanaus hat sich der Kunsthistoriker, Historiker und frühere Leiter des Hessischen Landesmuseums Darmstadt und des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg, Dr. Gerhard Bott, vorgenommen. Bott, der 1927 in Hanau geboren wurde, erforschte im Auftrag der Stadt die Biografie und Amtszeit des Grafen Friedrich Casimir. Die unter anderem von der Hessischen Kulturstiftung geförderte Publikation versucht eine Neubewertung der politischen Person und ihrer Berater, zu denen einer der bekanntesten Vertreter des Merkantilismus, der umtriebige Ökonom und Alchimist Johann Joachim Becher (1635 – 1682) gehörte, sowie sämtlicher Aktivitäten von Friedrich Casimir von Hanau-Lichtenberg. Bei der Rekonstruktion der umfangreichen Kunst- und Anatomy-Cammer, einer der Schwerpunkte des Forschungsprojekts, konnten rund 30 Stücke identifiziert werden, die sich heute in Sammlungen in Wien, Moskau, Kassel, Darmstadt und Eichenzell befinden.

Die Geschichte des Grafen bietet über die regionale Historie hinaus Stoff für die Geschichte des Sammelns, des Museums und der Wissenschaften; sie wirft nicht zuletzt als ein frühes Beispiel kolonialer Bestrebungen ein Schlaglicht auf die Prozesse der Aneignung von Wissen, Macht und Territorium im Europa des 17. Jahrhunderts. Das Buch erscheint Mitte März beim CoCon Verlag in Hanau.

  • Gerhard Bott
  • Graf Friedrich Casimir von Hanau (1623 – 1685)
  • Der „König vom Schlaraffenland“ und seine Kunstschätze
  • Mit einem Beitrag von Rainer Springhorn
  • (Hg.) Städtische Museen Hanau 2015
  • Schloss Philippsruhe
  • Philippsruher Allee 45, 63454 Hanau
  • www.museen-hanau.de